Galerie Hubert Winter

Martin Barré, Fred Sandback
curated by Yve-Alain Bois
11. Oktober – 23. November 2013
Denn wenn die Illusion ein Stück Wahrheit enthält, so ist diese Wahrheit nicht außerhalb von uns, sondern in uns.
Die letzten Zeilen.In: Claude Lévi-Strauss, Das Ende des Totemismus. Dt.v.H.Naumann. Frankfurt/Main,Suhrkamp,1965.

Notes on color
I don´t "apply" color to a piece. And I don´t use it to create structure. I use color because there are lots of colors to be used. To only use black and white, which are colors too of course, is simply too narrow. Color changes the tone of a piece completely – just as much as a different shape, or size
Fred Sandback. Notebook of 1976

Junge KünstlerInnen auf beiden Seiten des Atlantiks interessieren sich derzeit wieder vermehrt für das Werk von Martin Barré. Ähnliches gilt für den amerikanischen Bildhauer Fred Sandback, der ebenfalls jahrelang als vergessen galt.
Obwohl sie unterschiedlichen Generationen angehören, haben sie viel gemeinsam. Beide gingen durch eine konzeptuelle Phase, und erst als Reaktion darauf konnten sie ihren höchst minimalistischen Stil und ihre erschütterliche Treue zu einer traditionellen Kunstgattung entwickeln. Bei Sandback war dies die Bildhauerei, bei Barré die Malerei, in der er sogar das uralte Konzept des Tafelbildes wieder aufnahm. Zu ihrer Zeit wirkte das anachronistisch. Heute aber, nach all den Jahren der aufgeblasenen Installationskunst, erscheinen Barré und Sandback geradezu als Propheten.


Man zerstört keine Kunstgattung, indem man einfach vor ihr davonläuft! Nichtsdestoweniger weisen ihre Werke zahllose Unterschiede auf. Wie könnte es auch anders sein, wo doch beide so sehr an ihrem Ausdrucksmittel hingen. Sandback konzipierte seine Fadenskulpturen oft abstrakt, führte sie jedoch in ganz spezifischen, konkreten architektonischen Kontexten aus. Ja, sie waren und sind sogar abhängig von diesen Kontexten. Im Gegensatz dazu stellte Barré den Kontext seiner Bilder akribisch selbst zusammen. Besonderes Augenmerk galt dabei dem Bildformat, das eines der wichtigsten Bindeglieder zwischen den einzelnen Gemälden einer Serie war.
Doch nichts beweist die Seelenverwandtschaft der beiden Künstler besser als Sandbacks späte Schnittreliefs – „ein Seitengässchen, das im Kreis führt“, wie er sagte. Sie ähneln Barrés Leinwandbildern der Siebzigerjahre oft auf geradezu gespenstische Weise. Fast scheint es, als hätte Sandback – für einen Augenblick befreit von den Vorgaben der Architektur - in seinen Untersuchungen des malerischen Bildraums dieselben formalen Lösungen gefunden wie Barré. Grund dafür ist vielleicht, dass beide gegenüber Regeln, Systemen und Motiven skeptisch eingestellt waren. Anstatt auf ihrer Verwendung zu beharren – wie es stärker konzeptuell orientierte KünstlerInnen getan hätten -, unterliefen Sandback und Barré die tautologische Starre des kartesischen Raums mit dem Potenzial und der Dynamik der Linie. Schließlich betonte Barré immer, dass er „Gesten liebe, die etwas von ihrer Virtualität behalten, auch wenn sie aufgezeichnet worden sind“. Sandbacks Fäden sind das perfekte skulpturale Gegenstück dieser Gesten.

Yve-Alain Bois, geboren 1952 in Constantine (Algerien), lebt in Princeton (USA), wo er als Professor an der School of Historical Studies am Institute for Advanced Study tätig ist.

»Die Ausstellung findet im Rahmen von "curated by_vienna 2013: Why Painting Now?" statt. Das von departure - Die Kreativagentur der Stadt Wien initiierte Projekt findet von 10.10. bis 14.11. 2013 in 20 führenden Wiener Galerien für zeitgenössische Kunst statt.«

http://www.curatedby.at/