Galerie Hubert Winter

Richard Nonas
swerve (of shore) to bend (of bay)
17. Jänner – 29. Februar 2020
Die Geschichte kennt keine Wiederholungen des Gleichen: “Renaissancen“ sind ihr Widerspruch.
Die letzten Zeilen. In: Hans Blumenberg, Aspekte der Epochenschwelle: Cusaner und Nolaner. Ffm, Suhrkamp, 1976.

Some sculpture is terse, stubborn, wordless; almost stolid in its intensity.
It sits there and glares. It tells no story. It is
.(1)
Richard Nonas

Die Arbeiten von Richard Nonas (*1936, New York) kennzeichnet der Gebrauch roher Materialien wie Holz, Stein und Stahl. Sie tauchen in simplen, meist geometrischen Formen auf und werden in seriell-repetitiven Ensembles in bestehende Architekturen oder in Landschaften implementiert. Die modularen Elemente, oftmals in Ensembles von Paaren, Serien, in Linien an Wänden oder teils gitterähnlichen Strukturen oder Kurven am Boden platziert, kreieren Spannungsgefüge zwischen Dialog und Enthaltung, Präsenz und Absenz, Objekt und Skulptur, Klarheit und Ambivalenz: Es liegt in der Natur skulpturaler Orte, dass sie, sobald sie unvermittelt und schlagartig in Existenz treten, nur dann existent bleiben, wenn sie kontinuierlich in unauflösbarer Resonanz mit ihren inneren Spannungen verweilen.(2)


Statische, einzelne Elemente wie Holzblöcke und Stahlskulpturen treten in ein dynamisches Verhältnis aus Kurven und Linien – einzelne Formen gehen über in Rhythmik und Resonanz und entziehen sich rein minimalistischer Ästhetik. Die Skulpturen evozieren – durch eine Maxime an Einfachheit und kompositorischer Strenge – ambivalente, intensive Orte, die zwischen Wahrnehmung und Erinnerung, Sprache und Emotion, Material und Phänomen oszillieren. Dabei etablieren sie einen nicht-metrische Raum, der eher ein intuitives Raum-Fühlen als ein kognitives Raumverständnis erschließt und damit westliche Gewohnheiten der Distinktion und Wahrnehmung von Raum hinterfragt.

Der Titel der Ausstellung swerve (of shore) to bend (of bay) – James Joyces “Finnegan’s Wake” entnommen – fungiert wie eine Kartographie von Nonas Raumskulptur. A way a lone a last a loved a long the (3) – ein Weg durch die Ausstellung, räumlich als auch zeitlich – am Ende beginnen, Zyklen durchschreiten, wie in Joyces Roman. Es wird nicht metaphorisch auf das Literarische verwiesen – Illustratives, in Form von Diskursivität oder Narrativität, ist für Nonas Arbeiten von keinem Belang, es ergibt sich eine strukturelle Ähnlichkeit zwischen dem Buch und den Skulpturen. Der Titel verweist uns auf den eigentlichen Ort an dem Richard Nonas seine Arbeiten platziert ­ einen Ort an dem sich eine Kluft auftut, jene zwischen Natur und Kultur oder unserer menschlichen Dimension und der Außenwelt, die Schwelle an der, die Sprache an ihre Grenzen stößt.

Richard Nonas Skulpturen müssen für ihn das können, was Architektur für sich beansprucht hat aber oftmals nicht eingelöst hat, nämlich to create place itself [ einen Ort selbst zu schaffen] – einen Ort, der weder auf externen Begrenzungen oder internen Beziehungen beruht, auch nicht seiner kombinatorischen Struktur, sondern Ort als die Intensität von Präsenz selbst.(4) Somit stehen Richard Nonas Raumskulpturen ständig im Versuch der beinah magischen Transformation architekonischen Raumes in skulpturalen Ort.(5)

1 Richard Nonas, Get Out Stay Away Come Back, écrits d’artistes, Dijon: les presses du reel, Chalon-sur-Saône: la vie des formes, 1995, S. 162.
2 Richard Nonas, Double Clutch. Two Block Walk., Carpe Diem II, Galerie Hubert Winter, Wien, 1998, S. 2. [Übers. d. Verf.]
3 James Joyce, Finnegan’s Wake, New York: The Viking Press, 1939, S. 628.
4 Richard Nonas, Double Clutch. Two Block Walk., Carpe Diem II, Galerie Hubert Winter, Wien, 1998, S. 2. [Übers. d. Verf.]
5 Ebd. S.1. [Übers. d. Verf.]

  • ArtReview - March 2020—Max Feldman (PDF)