Galerie Hubert Winter

Guillaume Bijl – Instal­lationen, Situationen und Kultur­tourismus
Ferdinand Ullrich (Hrsg.) — Ausstellungskatalog Kunsthalle Recklinghausen, Köln. 1998

Als Mark Hostettler von Furk'Art mir 1984 die Chance gab, auf dem Baseler Kunstmarkt einen Lampenstand aufzubauen, holten andere Galeristen die Direktorin, um mich rausschmeissen zu lassen. Einer der grössten Gegner meiner Installation war die Galerie Zwirner, die Werke von Picabia und Duchamp verkaufte. So eine Kunstmesse ist doch eigentlich bloss ein grosser Handelsmarkt. Ich finde es spassig, dort dann Lampen dazwischenzuhängen, als hätte ich mich in der Messe geirrt.
"Four American Artists" verweist auf das unerschöpfliche Heer an Epigonen, wie zu allen Zeiten auftaucht, in diesem Falle am Ende der achtziger Jahre. Sie werden dann von den kleinen Galerien ausgestellt, die die "grossen Fische" nicht zeigen können. Die Arbeit bezieht sich auch auf die Gewohnheit, Künstler, die nichts miteinander zu tun haben, gemeinsam auszustellen, da sie aus demselben Land kommen. Man kennt das Phänomen ja: Gruppenausstellung mit dem Titel "Sechs spanische Maler" oder "Zehn australische Bildhauer". Mich fasziniert es auch, die Beschriftung genauestens auf die Wand und das Fenster der Galerie zu kleben, so dass der Dekor funktionierte: "S Punkt Robert". Es war merkwürdig, dass der Dekor oder die Farben von manchen Lampen in meinem Geschäft indirekt aus der modernen Kunst stammten, aus dem Konstruktivismus, de Stijl, usw., aber es war nicht beabsichtigt, das als Kunstparodie zu benutzen, sondern es ergab sich einfach aus der Form der Lampen, die diese Vorgeschichte in sich tragen.
Ein anderes Missverständnis über meine Arbeit besteht darin, dass meine "Compositions Trouvées" nicht so stark wären, wie meine grossen Installationen. Es stimmt, dass sie keinen situativen Anspruch haben, aber dennoch sind sie stereotype Bilder unserer Zivilisation. Manchmal sind diese Bilder gross und situativ verarbeitet, manchmal sind sie klein, und man kann sie eher als Stilleben oder Skulpturen sehen. Der ästhetische Wert, den ich mit Hilfe einer sonderbaren Alchimie simulieren möchte, wird eigentlich erst im nachhinein vom Kunstpublikum eingebracht. (Deutsch von Renate Sasse)


Transformationsinstallationen
Die Behandlungen umfassen einige Projekte (Pläne auf Papier, die allerdings nie verwirklicht werden sollten), die um die Mitte der siebziger Jahre entstanden.
(...) Im Jahre 1979 habe ich ein fiktives Pamphlet geschrieben, in dem die Behörden Kunst als überflüssig betrachten (nämlich aufgrund ihres nicht funktionellen Charakters), um darauf Kunsträume schliessen zu lassen und die in "nützliche gesellschaftliche Institutionen" umzuwandeln. Meine Arbeit "Autofahrschule Z" eröffnete diese Reihe von Installationen. 1984 habe ich den Text des fiktiven Bankrotts jedoch bewusst weggelassen, einerseits weil er sich angesichts der offenkundigen visuellen Evidenz erübrigt, und andererseits, weil er zu interpretativer Verwirrung Anlass gab (man meinte fälschlicherweise, es handle sich um Kunst über Kunst, Antikunst und dergleichen). Stärker als im Behandlungen-Konzept (das eher theatralisch war), verfügte ich bei den Transformationen über die Möglichkeit eines subtilen Übergangs von der Fiktion zur Wirklichkeit. (...) Das Resultat war ein dreidimensionales Stilleben in einem Kunstraum, der verwoben war mit der Wirklichkeit unserer paradoxen Gesellschaft, die ich auf diese tragikomische Weise relativierte.

Situationsinstallationen
Diese Installationen nenne ich allgemein "eine Unwirklichkeit in der Wirklichkeit". Die "Situationsinstallationen" sind eine Art Scheinoperationen, die einen situationellen Charakter aufweisen und meistens, anlässlich eines Kunstgeschehens, Eingriffe in die Wirklichkeit darstellen. Es handelt sich bisweilen um radikale, fiktive Eingriffe, die kaum zu sehen sind und die banale Selbstverständlichkeit in Frage stellen.

Sorry-Installationen
Das Wort "sorry" ist das Musterbeispiel eines kühlen Wortes aus der heutigen Lingua franca. Als ich im Jahre 1987 anfing, einige kleine absurde Assemblagen aus bestehenden Gegenständen zusammenfügen (und mithin eine Abstaktion schuf), verriet ich sozusagen meine eigene realistische Form. Diese kleinen Werke habe ich deshalb "Sorrys" genannt.
Später habe ich dann auch einige grössere absurde Installationen gemacht, wobei ich auf eine überspitzte Weise die menschliche Gestalt in einer surrealen Szene suggeriere. Diese Werke nehmen sich als ein absurdes politisches Verlängerungsstück meines Schaffens aus.

Kompositionen
Nahezu alle Kompositionen tragen den Titel "Compositions Trouvée". Diese Bezeichnung taucht zum ersten Mal auf während einer Kompositionsverwirklichung im Jahre 1983.
Der Begriff der "Compositions Trouvée" spielt auf den bereits bestehenden Begriff des "Objet Trouvée" an: Es handelt sich stets um eine bewusst zusammengesetzte, wieder erkennbare Komposition, etwas, was es bereits gibt und sodann gleichsam vorgefunden wird. Es sind jeweils kleine Stücke Wirklichkeit, die von unbedeutenden Konsum- und Innenausstattungsfragmenten bis hin zu pseudoöffentlichen Veranstaltungsdekors reichen.
Die Kompositionen bilden eine logische Folge meiner Themen- und Materialmanipulationen, so wie sie in meinem grösseren Installationen vorkommen. Die Kompositionen erheben freilich keinen situationellen Anspruch. Das Verhältnis in meinem Schaffen zwischen den Kompositionen und den Installationen könnte ich wie folgt umschreiben: "wenn ich meine grossen Installationen als "grosse Tableaus" auffassen würde, dann verhielten sich meine Kompositionen dazu wie Skizzen oder kleine Zeichnungen."
Allgemein möchte ich sie als aktuelle archäologische Stillleben betrachten.

Kulturtourismus
Während der letzten zehn Jahre realisierte ich einige Installationen (transformations&situations), die sich mit einem Phänomen beschäftigen, das man als "Kulturtourismus" bezeichnen könnte. (...) Mit meinen Arbeiten stelle ich die nur künstlichen Werte unserer Zivilisation grundsätzlich in Frage; folglich spiegelt sich das in der Art wider, wie ich "Geschichte und Kultur" thematisiere. Wir gehören einer Generation an, die Reisebüros, Fitness-Center und Kasinos besucht und die gleichzeitig Atombunker baut. Wir verbringen unsere Wochenenden damit, 'interessante' historische Stätten zu besuchen.
In ihrer thematischen Breite stellen meine Installationen nicht nur die banale Kultur des modernen Massentourismus bloss (ein Wachsfigurenkabinett, prähistorische Polyester-Figurinen, die Geschichte der Erotik), sie fokussieren ebenso gehobene intellektuelle Themen. Mit ihnen untersuche ich die fragwürdige fetischistische Annäherung an historische Personen und ihre 'Hinterlassenschaft' (Komponisten-Sterbezimmer, 5 Historische Stühle, 6 Historische Lederhosen). Schliesslich gibt es einige Installationen, die die populäre Darstellung von Wissenschaft ironisch kommentieren (Der Mensch überwindet Distanzen, Der Stein aus dem All).