Galerie Hubert Winter

Ingo Nussbaumer
Strings
4. May – 16. June 2007
Unter der Voraussetzung, dass die Reduzierung von t zu 0 und von 0 zu -t ist, können wir sagen: die Dauer ist die Verwandlung einer Abfolge in eine Umkehr. Das heißt:
DAS WERDEN EINES GEDÄCHTNISSES.
Die letzten Zeilen in: Afred Jarry, Heldentaten und Lehren des Dr. Faustroll (Pataphysiker). Neowissenschaftlicher Roman. Dt. v. I. Hartig und K. Völker. Hrsg. K. Völker. Berlin, Gerhardt Vlg, 1968.

'Auf den ersten Blick könnte es scheinen, als entstünden meine Aquarelle aus Wiederholungen, Reihungen und Variationen zu einem Thema, zu einem künstlerischen Motiv oder zu einer leitenden Idee, vergleichbar der seriellen Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Aber eine solche Behauptung wäre zweifelsohne unzulänglich. Die leitende Idee geht nicht von einem Motiv aus, das bloß variiert und wiederholt wird und dann aufeinanderfolgt und in einer Sukzession besteht und hinterher zu einem Ganzen wird, sondern sie geht von einem simultanen Ganzen aus oder behält ein intuitives Ganzes von Beginn an im Blick. Dieses simultane Ganze besteht aus vibrierenden Bildteilen. Solche Vibrationen ereignen sich zwar scheinbar durch geringfügige Farbmodulationen oder durch feine Symmetriebrüche, sind aber in Wirklichkeit ikonische Verweise. So stellen die Teile immer Facetten, Fragmente eines noch darüber Hinausliegenden Rätsels vor. Und aus eben diesem darüber Hinausliegenden erzeugt sich die punktuelle Vibration. Jede Bildreihe gleicht einer sich erregenden und sich selbst verschluckenden Schlange.'    [Ingo Nussbaumer. 2007]


Mit der Ungewöhnlichkeit des klaren und nuancenreichen Farbauftrags, der präzisen scharfkantigen Ausführung hat Ingo Nussbaumer (geboren 1956 in Leibnitz, Steiermark, lebt und arbeitet in Wien) schon längst seine Aquarelle in die weiterführenden Auseinandersetzungen der Gegenwartskunst verortet. Themen wie Folie und Schatten, die sich zu subtilen und spannungsreichen Gefügen konstellieren, ziehen sich von Anfang an durch diese spezielle Seite seines Oeuvres. Mit der Bezeichnung 'color proposition', die abgekürzt mit 'cp' und Indexnummer zugleich diese Werkgruppe seit 1996 verzeichnet, deutet der Künstler beständig auf sein Verständnis von Bildaussagen durch Farbkonstellationen. 
Die Galerie Hubert Winter zeigt 36 neue Arbeiten. Sie sind zu geschlossenen Reihen und offenen Blöcken als Werkgruppen figuriert und in ein System von Bezügen und Verweisungen geführt. Aus diesem deutet sich die 'punktuelle Vibration' seiner Aquarelle an.