Galerie Hubert Winter

Anett Stuth
Worldmaking
30. April – 22. May 1999
Es sollte klar sein, daß hier nicht von jenen möglichen Welten die Rede ist, die viele meiner Zeitgenossen, besonders in der Nähe von Disneyland, so emsig erzeugen und manipulieren. Wir sprechen nicht von vielen Alternativen zu einer einzigen wirklichen Welt, sondern von einer Vielheit wirklicher Welten.
Nelson Goodman, Ways of Worldmaking, 1998

Die Galerie Hubert Winter eröffnet am Donnerstag dem 29. April 1999 im Raum1, Sonnenfelsgasse 8 um 19 Uhr die Ausstellung WORLDMAKING, der 1965 geborenen udn in Berlin und Leipzig lebenden deutschen Künstlerin Anett Stuth.

Die Ausstellung ist bis zum 22. Mai 1999 zu sehen.

In seinem Anfang der 80er Jahre erschienen Buch Ways of Worldmaking kommt der amerikanische Philosoph Nelson Goodman zu der heute etwas lapidar wirkenden Einsicht, daß "wir nicht in einer Welt leben, sondern in mehreren gleichzeitig und diese Welten haben wir selbst hervorgebracht."

Anett Stuth unterzieht nun eine dieser fabrizierten Welten, die Architektur des gegenwärtigen Berlins, mit seinen visuellen Botschaften, einer genaueren Untersuchung und geht der Frage nach, wie Subjekte durch die urbanen Landschaftszonen konstituiert werden. In ihren großformatigen Fotoarbeiten montiert sie computeranimierte Modelle - die, am Baugerüst angebracht, von der zu erwartenden Herrlichkeit künden - mit Abbildungen der dann tatsächlich errichteten Bauten und thematisiert so das Verhältnis von Modell und Wirklichkeit, von Ideal und Wahrheit. War es einmal so, daß Modelle nach der Wirklichkeit gemacht worden sind, haben diese, so scheint es nunmehr, die Wirklichkeit längst usurpiert. So wird das Modell selbst zu einer bedeutsamen Struktur. Dabei interessiert sie sich nicht ausschließlich für die Typologie, die technische Konstruktion dieser rationalistischen Zweckarchitektur aus Glas und Stahl, sondern ebenso scheinen die winzigen Figuren auf dem Bild vom Bild und dem Bild von der Wirklichkeit ihre Aufmerksamkeit erregt zu haben. Denn im Geflecht dieser Stadtlandschaften wirken die Menschen wie Unbehauste in einem riesigen technischen Universum, das nur noch Passagen, aber keine Heimat mehr kennt. Die anonymen, eigenschaftslosen Bauten gerinnen zu Monumenten der Einsamkeit, Melancholie und Trauer.

Stuth befragt Architektur hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf soziale und psychische Beziehungen sowie ihre Blicke und Körper konditionierenden Kraft. Dieses Interesse an der Korrelation zwischen Architektur und Mensch, vor allem an den Auswirkungen einer kapitalistischen städtischen Kultur auf den psychischen Apparat, wird auch dadurch deutlich, daß Stuth jeder Collage eine Porträtfotografie beiordnet. Die Blicke der Proträtierten verstärken das Moment der Melancholie und Trauer. Im Abbild selbst bleibt der Verlust der Identität durch die phantasmatische Neuerfindung im Doppelgänger, als ein Ereignis des Todes im kleinen (Barthes), spürbar gegenwärtig.