Galerie Hubert Winter

Andrea Pesendorfer
21. Oktober – 25. November 2000
Es ist seltsam, wie bestimmte Wörter, denen man überhaupt keine
Bedeutung beimaß, als am sie hörte, schließlich, nach einer bestimmten Zeit,
Eine geradezu zentrale Bedeutung bekommen können.
Ich denke da an einen Satz, den mir ein Freund gesagt hat, vor 25 Jahren...
Jean-Luc Godard. Eine verheiratete Frau (Une femme mariée). 1964.

Die Galerie Hubert Winter zeigt von 21. 10. bis 25. 11. 2000 neue Arbeiten der 1970 in Gmunden geborenen und in Wien lebenden Künstlerin Andrea Pesendorfer.

Andrea Pesendorfers Bilder kennzeichnen sich durch ein Herausziehen von Fäden industriell verfertigter Stoffe (Leinwand, Sari-, Dirndlstoffe), die über Holzrahmen vorder- wie rückseitig gespannt sind. Die dadurch freigelegte Farbigkeit, wie partielle Überlagerung und Transparenz der unterschiedlich gewebten Stoffe sind typische Elemente ihrer Arbeit.
Diese Methode entspricht einem umgekehrten Vorgang zur Malerei, wie sie in ihrer üblichen Form ausgeführt und erfasst wird. Malerei, verstanden als plastischer Prozess, bei welcher Farbpigmente opak oder pastos, transparent oder lasierend auf eine Oberfläche aufgetragen werden, wird als additativer Prozess betrieben.
Zwar bildet auch in Andrea Pesendorfers Arbeit die Leinwand als Bildträger die Ausgangsbasis, aber im Unterschied zum herkömmlichen bildformierenden Prozess, lagert sie kein weiteres Material auf oder über den Bildträger, sondern entzieht es diesem durch ein Herauslösen von Fäden. Sie legt eine industriell vorgefertigte Struktur von Leinwandbindung frei und entknüpft sozusagen Kette und Schuss. Damit folgt sie einem Prozess, der in der Malerei als untypisch zu bezeichnen ist und am ehesten mit Ritz- und Gravurtechniken als verwandt angesehen werden kann. Das heißt es handelt sich hier im Unterschied zur plastischen Prozedur um einen skulpturalen Vorgang, der sich in Pesendorfers Fall aus der bildnerischen Subtraktion von verwobenen Materialien charakterisiert.
Diese Subtraktion wird auch am eigentlichen Gegenstand der Malerei - nämlich der Farbe - deutlich. Die Farben sind einerseits durch die industriell gefertigten Stoffe (Changend, Sari etc.) vorgegeben, entstehen aber ebenso durch das partielle Freilegen der verwobenen Fäden, das heißt die Farben werden entmischt, indem beispielsweise die blauen Fäden aus dem violett erscheinenden Stoff herausgezogen werden und die orange/roten Fäden übrig bleiben. Damit wird der Farbcharakter des sich optisch durch die Verwebung und Verflechtung von seinen stark kontrastierenden Farbgründen und Ausgangsfarben her bloßgelegt.
Andererseits bilden sich die Farben durch eine Art von Schichtung, indem die Künstlerin die durch die Subtraktion entstehende Transparenz der Stoffe ausnützt und um den Holzrahmen spannt, sodass sich die Front des Bildes optisch mit dem Rücken konfrontiert und freigelegte und kompakte Farbe über eine räumliche Distanz neu konstruiert.
In Andrea Pesendorfers neuen Arbeiten tritt zu diesem Prozess der "Entwebung des Stoffgewebes zu einem Bild" noch eine weitere Verdichtung in Form von Faltungen, die die farbigen Muster in unterschiedlichen Farbnuancen schillern lassen.
Das Thema der Falte schlägt eine Brücke zu den Hemdkleidobjekten, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind. In den Kleidobjekten wird die momentane Bewegung und generelle Haltung einer Person auf Kleidungsstücken fototechnisch eingefroren. Sie verdeutlichen den individuellen Abdruck eines Körpers. Die im Digitaldruckverfahren hergestellten Teile werden in einem weiteren Schritt wieder zu dreidimensionalen Objekten zusammengenäht und im Raum schwebend installiert. Sowohl in Lebensgröße als auch in der kleineren Ausführung kristallisieren die Objekte einen mehrfachen Abbildungs- und Darstellungsprozess.

nach einem Text von Ingo Nussbaumer.