Galerie Hubert Winter

Bernd Klinger
1. Dezember – 20. Jänner 2001
Reisen ist erziehlich, regt die Einbildungskraft an. Sonst gibt´s dabei nur Mühsal und Enttäuschung. Die Reise, die wir hier machen, ist gänzlich imaginär. Darin liegt ihre Stärke.
Louis-Ferdinand Céline. Reise ans Ende der Nacht. (1932). Dt. v. I.Grünberg. Mähr.-Ostrau, J.Kittl (1933).

Bernd Klinger, geb. 1945 in Arnfels, lebt in Wien.
Diese Ausstellung ist die zweite Einzelausstellung des Künstlers, nach seiner ersten Präsentation 1970.

Zu den Arbeiten von Bernd Klinger:

'Video- und Computer-Kunst, um einen Hilfsbegriff für jene Bildfolgen zu gebrauchen, die weder der Information noch der kommerziellen Verwertbarkeit dienen, generieren Produkte, die Teil eines gigantischen Bildreservoirs sind. Über die Video-Kunst fand eine lange andauernde Debatte statt, weil sie sich durch ihre besondere Werkstruktur den traditionellen Mechanismen der Kunstgeschichte entzieht. Allerdings kann diese Debatte innerhalb eines künstlerischen Kontexts, der sich seit dem Beginn des Jahrhunderts gerade auch durch das gekonnte Überschreiten der Grenzen zwischen High und Low, E und U auszeichnet, nicht sinnvoll sein, denn die Reproduktion ist längst Bestandteil des künstlerischen Produkts. Bernd Klinger, der darum weiß , arbeitet mit Video und Computer, weil sie die Produktion von Bildern erleichtern, denn sie funktionieren wie das menschliche Gedächtnis und Bewusstsein: Im digitalen Archiv der Bilder (und der potentiellen Bilder, denn alles, und existierte es nur im Kopf seines Schöpfers, kann Bild werden, und wird es auch nie sichtbar gemacht, so existiert es doch) gibt es keinen Unterschied zwischen Nähe und Distanz, Öffentlichem und Privatem, Ernsthaftem undUnsinnigem. Der äußere Zeitablauf ist aufgehoben; Zeit organisiert sich entlang einer inneren Achse der Erinnerung und Assoziation. Der Computer greift auf zeitlich und räumlich weit Entferntes ebenso schnell zu wie auf ganz Nahes. Technisch gesehen, bahnt sich damit die Auflösung der Geschichte in eine unentrinnbare Gegenwart an, in der alles und jedes verfügbar ist und alles gemacht und noch einmal gemacht werden kann (Hans Belting). Diese Unentrinnbarkeit ist Bernd Klingers wichtigstes Thema. Er hat sie seit den Sechziger Jahren in Zeichnungen, Installationen, Aktionen, Fotos und Videos dokumentiert. Es gibt keinen anderen Ausweg als die Beschreibung ebendieser Unentrinnbarkeit, denn: Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt (Ludwig Wittgenstein), und die Welt ist eben eine Kugel mit den Arbeiten Bernd Klingers an der Oberfläche, durch eine gigantische Nabelschnur gespeist aus einem ebenso witzigen wie bedrohlichen Knochen, den vielleicht ein unzureichend informierter Hund durch die Galerie zerren wird. Je drastischer Bernd Klingers Beschreibung seiner Welt ausfällt, desto leichter kann sie bei oberflächlicher Betrachtung als egomanisches Kreisen um das eigene Selbst interpretiert werden - und desto höher ist ihr skandalöses Potential in einer Zeit der bis zum Überdruß bemühten falschen Anteilnahme an allem und jedem.
Das Kreisen um das Selbst ist immer auch ein Kreisen um den Körper, und die Reflexion des Körpers ist in Bernd Klingers Arbeiten allgegenwärtig. Das Arbeiten mit dem semantischen und traditionellen Gehalt von Gesten und Haltungen, mit Be-Kleidung und Nacktheit - auch klassischer Nacktheit, repräsentiert diese doch eine in einen Typus transzendentierte Individualität und bietet damit eine imaginäre Möglichkeit der Entgrenzung - ist von Anfang an in Bernd Klingers Arbeiten präsent. Körperteile, wie Augen in Kübeln und zu Trickfiguren verfremdete Münder, aber auch Bekleidung und Wäsche wie im Fall des sprechenden Unterhosencharlie sprechen eine Sprache des Körpers, die verunsichernd ist und witzig, respektlos und komisch. In den elektronischen Medien, die eine traditionelle Handschrift ausschließen, wie im übrigen schon Körperkunst und Fluxus zuvor, thematisiert Bernd Klinger das Selbst als Analogie zum großen digitalen Bildspeicher: Es kann wählen - aber nur innerhalb dessen, was das eigene Gedächtnis vorrätig hat und was das eigene Bewußtsein zu assoziieren bereit ist. Seine eigenen Grenzen kann es unter gar keinen Umständen überschreiten. Aber das Wissen darum macht das Persönliche politisch, ebenso wie Bernd Klingers Wissen um die Eigenschaften der Bildmedien jedes Statement zu einem kritischen macht.

Inge Podbrecky, November 2000.

  • Review: Der Standard, 12.12.2000 (JPG)