Galerie Hubert Winter

Franz Vana
Sonntagsbilder
12. Mai – 16. Juni 2023
War dies nicht der Endpunkt, den Ovid anstrebte, als er über die Kontinuität der Formen schrieb, und den Lukrez im Auge hatte, als er sich gleichsetzte mit der allen Dingen gemeinsamen Natur?
Die letzten Zeilen. In: Italo Calvino, Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend. Harvard-Vorlesungen. Dt. v. B. Kroeber. München, Hanser, 1991.

Serien innerhalb eines künstlerischen Œuvres definieren sich durch einen gewissen Grad an Kohärenz zwischen den einzelnen Arbeiten und einem Moment der Distinktion, anhand dessen sich die Serie von einer anderen abhebt. Entzieht man ein künstlerisches Werk der linearen, chronologischen Perspektive und betrachtet man es eher als ein Netz an simultanen Ereignissen, dann lassen sich einzelne Punkte ausmachen, die gleichzeitig, voneinander unabhängig existieren und sich nicht in chronologischer Abfolge ereignen. Verknüpft man solche Punkte anhand anderer Parameter als chronologischen, formieren sich neue Werkzyklen bzw. kann sogar ein eigener Werkkorpus hervortreten – ein Werk im Werk.

Ein solches Werk im Werk setzt sich aus Franz Vanas Sonntagsbildern zusammen. Erstmalig wird in dieser Ausstellung eine Selektion aus diesem Werkzyklus präsentiert.

Im Atelier des Künstlers, in Rauchwart im Burgenland, einer ehemaligen Spiritusbrennerei, ist „Sonntag Mal-Tag“, so der Künstler. Die Sonntagsbilder selbst sind Spiegelkabinette, die die Welt um sie herum reflektieren und brechen. Lose Realitätspartikel, bestehend aus bildlichen Motiven und teils sprachlichen Signifikanten, gerinnen nur für einen kurzen Zeitpunkt in der Betrachtung zu definierten Formen. Oftmals finden sich in diesem Strudel aus Linien und Farbflächen einzelne Punkte, die visuelle Gravitationszentren bilden, an denen der Blick kurz innehalten kann. Sichtbares scheint in Lesbarem aufzugehen, bis man bemerkt, dass die Malereien den Blick auf uns selbst zurückwerfen und die kurzzeitig erstarrten Formen verflüchtigen sich wieder.

Die einzelnen fragmentarischen Motive, die sich identifizieren lassen, sind nur ein Vorwand, sie waren niemals dazu gedacht, abgeschlossen zu werden. Ein Vorwand, über dessen Umweg sich erst die Komposition erschließt. Die Malerei wird laut Künstler selbst zum „Transportunternehmen“. Sie transportiert uns in einen Zustand an der Schwelle zwischen Sichtbarem und Lesbarem, Traum und Wirklichkeit. Ein Destillat aus den Formen frei waltender Imagination. So wie jene Bilder, die kurz nach dem Erwachen noch greifbar erscheinen, aber bereits im Verschwinden begriffen sind. Bilder, denen die Zeitlichkeit, die Formlosigkeit und die Zufälligkeit des Traumes zugrunde liegen.

Der Urgrund des Geistes ist zu delirieren, von Sinnen zu sein, oder, was in anderer Hinsicht auf dasselbe hinausläuft: Zufall und Indifferenz.[1]


[1] Deleuze, Gilles: David Hume. Campus Verlag: Frankfurt am Main 1997, S.10